Ein Roboter hilft bei der Knie-OP

Waiblinger Zentralklinik setzt als Erste in BaWü „Rosa“ ein

Zeitungsverlag Waiblingen 4. Mai 2023
ZVW Redaktionsmitglied Andrea Wüstholz

 

Er heißt „Rosa“, murrt und meckert nie, tut, was man ihm sagt, und das überaus präzise: Ein Roboter unterstützt neuerdings an der Waiblinger Zentralklinik Ärzte bei Knie-Operationen. „Rosa“ steht für „Robotic Surgical Assistant“, und diesen Freitag kommt der chirurgische Helfer erstmals zum Einsatz.

Die Maschine arbeitet genauer als ein Mensch, verarbeitet Daten schneller als ein Mensch, sieht mehr als ein Mensch. Trotz-dem lässt sie gefälligst ihre Finger weg vom offenen Knie, denn im wichtigsten Feld ist ihr der Mensch weit überlegen: Die Erfahrung eines Chirurgen oder einer Chirurgin ist durch nichts zu ersetzen.

Deshalb bleiben Dr. Karsten Reichmann, Ärztlicher Leiter der Waiblinger Zentralklinik, und die anderen Chirurgen bei jeder OP die Chefs im Ring: Sie bereiten eigenhändig das Knie vor, setzen selbst das Implantat ein, erledigen nach wie vor mit ihren eigenen Händen, was bei einer Knie-OP zu erledigen ist. „Rosa“ informiert, an welcher Stelle ganz genau die Instrumente anzusetzen sind, zeigt auf dem Bildschirm Visualisierungen vom Inneren des Knies, hilft beim hochpräzisen Positionieren und Ausrichten des Implantats, jault auf, sofern es was zu kritisieren gibt – und hält die Klappe, wenn Dr. Reichmann das will. Er füttert den Roboter vor einer Operation mit allen Infos, die für diese OP vonnöten sind.


„Extrem spannend“ findet der Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie diese neue Robotergeneration. Dass die Waiblinger Zentralklinik allen Ernstes als Allererste in ganz Baden-Württemberg einen „Rosa“ fürs Knie im Einsatz hat, das sei durchaus bemerkenswert.

Europaweit assistieren laut Britta Kemper bereits 150 Roboter dieser Art bei Operationen. Kemper ist Managerin beim Rosa-Lieferanten, dem US-Medizintechnik-Unternehmen Zimmer Biomet, und sie druckst ein bisschen herum bei der Frage, was ein „Rosa“ kostet. Der Listenpreis liege bei knapp unter einer Million, verrät sie dann doch – aber wer zahle schon Listenpreis?

 


Das Fallpauschalen-Thema:
Extrakosten trägt die Kasse nicht

Die Krankenkassen interessiert’s nicht, wer welchen Listenpreis zahlt. Die Waiblinger Zentralklinik, seit 2015 als Endoprothesenzentrum zertifiziert, erhält wie alle anderen Kliniken eine Fallpauschale für eine Knie-OP. Wie Reichmann und seine Kollegen diese OP über die Bühne bringen, ob mit Rosa oder ohne, ist ihre Sache. Fallpauschale bleibt Fallpauschale.


Ein derart teurer Roboter ist für die Knie von Privatpatienten reserviert, möchte man meinen – stimmt aber gar nicht. Die große Mehrheit der Patientinnen und Patienten der Zentralklinik sind gesetzlich versichert, berichtet Dr. Reichmann. Er möchte mit dem Helfer „Rosa“ einen Wettbewerbsvorteil erreichen, denn in der Region Stuttgart herrscht durchaus harte Konkurrenz unter Kliniken.

 


Die App als Motivator: Genügend
Schritte und Stufen geschafft?

Wer auch immer diesen Freitag sein Knie nicht nur, aber auch „Rosa“ anvertraut und auf eine schmerzfreie Zukunft hofft, dürfte sich zuvor schon mit der zugehörigen App vertraut gemacht haben. Die App liefert ergänzend zum Beratungsgespräch Infos über die OP, und sie wirkt als Aufpasser und Datensammler: Hat der Patient oder die Patientin die verordneten Übungen absolviert? Wie viele Schritte legt er oder sie täglich zurück? Wie klappt’s mit dem Treppen-steigen nach der OP? Wer besser vorbereitet einer Knie-OP entgegenfiebert, wird, so die Hoffnung, mit weniger Angst im Herzen zum Termin erscheinen – auch das spielt eine Rolle. Und wer hinterher jeden Fort-schritt haarklein nachvollziehen kann, wird womöglich mit mehr Elan den Übungsplan einhalten und selbst so viel wie möglich bei-tragen, damit die Genesung voranschreitet.

 

Der Einsatz des Roboters
verspricht bessere OP-Resultate

Künstliche Intelligenz könne anhand der Daten bereits zwei Wochen nach der Knie-OP ziemlich zielsicher vorhersagen, welche Gehgeschwindigkeit zehn Wochen später zu erwarten ist, berichtet unterdessen Michael Schwab von der Firma Zimmer Biomet. Alle Beteiligten können dann rechtzeitig nachjustieren in der Nachsorge. Dank „Rosa“ und dank des mit „Rosa“ verbundenen digitalen Konzepts lasse sich detailreich über-prüfen, welche Ergebnisse welche OP her-vorbringt. Ferner sorgt der Roboter dafür, verspricht Dr. Reichmann, dass Folge-OPs nicht mehr nötig seien, also direkt bessere Ergebnisse erzielt würden. Neuartige Roboter agieren „viel sensibler“ als Maschinen früherer Generationen, mit welchen Reichmann bereits vielfältige Erfahrungen gesammelt hat, erzählt der Facharzt. Er könne während der OP schonender mit Weichteilen umgehen und komme mit einem kleineren OP-Gebiet aus, als es ohne Rosas Hilfe möglich wäre.


Unterm Strich spare der Roboter-Einsatz im Gesundheitswesen Geld, weil es bei einer einzigen OP bleibt, die noch dazu bessere Resultate bringt, argumentiert Dr. Reichmann. Er beklagt die Trägheit des Finanzierungssystems im Gesundheitswesen, das sich sehr viel langsamer verändert als die Technik. Der Roboter verbessert die Arbeit der Menschen, ersetzt sie aber nicht, so die Einschätzung des Facharztes.

 


Mit Datenbrillen simulierte
Welten wahrnehmen


Während der Präsentation des Robotic Surgical Assistant in Waiblingen erhalten die Gäste schon mal per Video eine Vorstellung davon, woran sie sich in naher Zukunft voraussichtlich gewöhnen werden: Mit Datenbrillen auf der Nase sieht man zwar reichlich doof aus. Doch sieht der Mensch mit diesen Brillen Dinge, die, wenngleich nur simuliert, Eindrücke verschaffen vom Lebensgefühl nach der OP – und von vielem mehr. Noch ist in Europa nicht zugelassen, was technologiekritischen und datenschutzsensiblen Menschen einen Schauder über den Rücken jagen dürfte: Natürlich kann man auch Sensoren am Knie befestigen und dann noch sehr viel genauer auf-zeichnen, wann und wie und wo sich der Mensch bewegt.

Enrico Braun von der Firma Zimmer Biomet zeigt derweil Gästen in der Waiblinger Zentralklinik den Roboter ganz real. Rosa besteht aus zwei Teilen, besitzt selbstverständlich einen Touchscreen, ferner einen imposanten Arm, eine 3-D-Kamera und was das Chirurgie-Team sonst noch so benötigt. Assistenzsysteme dieser Art „werden sich auf jeden Fall durchsetzen“, prophezeit Karsten Reichmann, der künftig bei allen Knie-OPs an der Waiblinger Zentralklinik „Rosa“ mit ins Boot nehmen will. Sandra Schönjahn von der Firma Zimmer Biomet, freilich von Berufs wegen mit diesen Themen vertraut, kann sich jedenfalls jetzt schon „die Zukunft nicht mehr vorstellen ohne robotische Unterstützung“.

 

Fotos: Büttner:
Dr. med. Karsten Reichmann, Ärztlicher Leiter an der Waiblinger Zentralklinik.
Dieser Roboter wird künftig Chirurgen an der Waiblinger Zentralklinik bei Operationen am Knie unterstützen.
„Rosa“ steht für Robotic Surgical Assistant - ein Roboter als chirurgischer Helfer.

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